Veranstaltung: | LDV Idar-Oberstein |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Anträge |
Antragsteller*in: | Klaus Puchstein (KV Ahrweiler), Anna Belz (KV Westerwald), Martin Schmitt (KV Mayen-Koblenz), Torsten Szielasko (KV Mainz), Nathalie Wendisch (KV Ahrweiler), Georg Schiffer (KV Ahrweiler), Christoph Richter (KV Ahrweiler), Manuela Groß (KV Ahrweiler), Bernadette Heeb-Klöckner (KV Ahrweiler), Nathalie Plum (KV Ahrweiler); |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.03.2018, 11:48 |
A-3: 1 Million kleine preiswerte Wohnungen innerhalb der nächsten 3 Jahre
Antragstext
Wohnraum für Familien, junge Menschen, Senioren und Behinderte
Sicher bis zum Lebensende – Preiswert und Barrierefrei
Strategischer Aktionsplan bis zu den Kommunalwahlen/Europawahlen im Frühjahr
2019 für neue Gesetze und Gesetzesanpassungen, um kurzfristig preiswerten und
bedarfsgerechten sicheren Wohnraum für alle Menschen zur Verfügung zu stellen.
Teil 1 Wohnraumstrukturen und notwendige Veränderungen
Teil 2 Politische Instrumente
Teil 3 Zeitschiene
Teil 4 Quellen
Teil 1 Wohnraumstrukturen und notwendige Veränderungen
Unsere Wohnraumstruktur ist vor allem auf die 4-köpfige Familie zugeschnitten.
Jedoch sind die ca. 16 Mio. Singles 1/5 der Bevölkerung. Es gibt aber nur ca. 8
Mio. Wohnungen bis 60 m². Knapp 1/3 davon ist armutsgefährdet. 82 % bzw. 15,6
Mio. unserer Wohngebäude in Deutschland sind Einfamilienhäuser mit 1 oder 2
Wohnungen. In Rheinland-Pfalz kommen 730 TSD Singles auf ca. 300 TSD Wohnungen
bis 60 m².
Wenn wir es schaffen, innerhalb von 3 Jahren 1 Million Wohnungen durch
Aufteilung vorhandener Eigenheime einzubauen, würde das den Wohnungsmarkt
deutlich entlasten. Dazu müssen die Menschen motiviert werden! Auf der nächsten
Seite sind die Punkte aufgeführt, die dahin führen können.
Viele Immobilien passen häufig nicht mehr zur Lebenssituation der Menschen.
Besonders krass ist die Situation der über 65-jährigen Singles. 2014 gab es fast
5,5 Mio. bundesweit: durchschnittliche Wohnraumgröße fast 80 m², im Wohneigentum
100 m² und bei Mietwohnungen 63,3 m². Hier ergeben sich die besten Chancen für
eine Wohnungsteilung, besonders bei Häusern ab > 120 m². Eine Motivation für die
BesitzerInnen, das Gebäude aufzuteilen, liegt darin, dass der Tag kommen wird,
an dem sie gleich nebenan jemanden brauchen werden, der sie im täglichen Leben
unterstützt.
Die SeniorInnen beschaffen sich nicht vorsätzlich große Wohnungen. Aber warum
leben sie darin?
Die wesentlichen Gründe
- Remanenz, das allmählichen Leerfallen der Familienwohnung. Faktor 1: die
Kinder gehen aus dem Haus. Faktor 2: Partnertrennung. Faktor 3: Versterben
des Partners oder der Partnerin.
- es gibt keine kleinen Wohnungen auf dem Markt.
- während des Arbeitslebens wird von vielen ein größerer Arbeitsbereich
benötigt. Im Alter werden diese Räume einfach dem Wohnraum zugeschlagen.
Eigentlich werden sie nicht mehr benötigt.
Resultat: Armut wegen zu hoher Wohnkosten, besonders krass ist Altersarmut bei
Frauen wegen kleiner Renten. In Rheinland-Pfalz mit sehr hoher Eigentumsquote
von Einfamilienhäusern ist Armut im Eigenheim besonders ausgeprägt bei
Rentnerinnen. Um die Immobilie zu halten, wird um jeden Preis gespart: bei der
Heizung, bei Reparaturen, bei der Ernährung, bei der Gesundheit.
Nur eine strukturelle Änderung hilft EignerInnen und MieterInnen.
Es muss Anreize in Deutschland geben, jedes der > 15,6 Mio. Eigenheime
(Wohngebäude insgesamt fast 19 Mio.) so aufzuteilen, dass mehrere getrennte
Wohnungen darin entstehen. Für die BewohnerInnen ist das mit Vorteilen
verbunden: Je nach Lebenssituation können eine oder mehrere Wohnungen innerhalb
des Einfamilienhauses vermietet werden, bei großen Grundstücken auch Teile des
Geländes. Der Verkauf wird meist am Ende der Überlegungen stehen, kann aber bei
größeren Reparaturen notwendig werden. Bei so einer Strategie können die
EigentümerInnen wesentlich sicherer sein, bis ans Lebensende im gewohnten
sozialen Umfeld in ihrem Haus bleiben zu können.
Eine sehr gute Vorsorgemaßnahme ist die Barrierefreiheit für mindestens eine
Wohnung im Haus. Niemand kann ausschließen, dass irgendwann im Leben Treppen
unüberwindbare Hindernisse darstellen. Auch das Bad sollte eine
rollstuhlgerechte Größe haben und schwellenfrei sein. Warum? Die Zahl der
Menschen über 60 Jahre steigt in den kommenden Jahren von zurzeit 17 Mio. auf
21,5 Mio. im Jahr 2035. Im gleichen Maß, also um ca. 25%, steigt der Bedarf an
barrierefreiem preiswertem Wohnraum. Abgesehen von diesem zusätzlichen Bedarf
ist er heute bei weitem nicht gedeckt.
Wie kann die Politik Anreize schaffen, dass die BesitzerInnen von ca. 82 % aller
Wohngebäude in Deutschland ernsthafte Überlegungen anstellen, ihre Häuser in
mehrere Wohnungen aufzuteilen?
- Jede natürliche Person in Deutschland bekommt das Recht, für eine
barrierefreie Wohnung bis zu 45 m² Wohnfläche mit rollstuhlgerechten
Abmessungen die Unpfändbarkeit zugesprochen zu bekommen. Zusätzlich
entfällt die Grundsteuer für diesen Wohnraum sowie für einen Gartenanteil
in derselben Größe.
- Sind in einem Wohngebäude bereits 2 barrierefreie Wohnungen hergestellt,
darf für 2 weitere Wohnungen unter 45 m², die nicht barrierefrei sind, je
1 natürliche Person die Unpfändbarkeit beanspruchen. Im Gegensatz zu den
barrierefreien Wohnungen sind diese nicht von der Grundsteuer befreit.
- Damit vorhandener Wohnraum entsprechend umgewandelt wird, legt die KFW ein
entsprechendes Kreditvolumen auf.
- Die Bauämter haben entsprechenden Anträgen auf Teilung unverzüglich
stattzugeben. Teilungsanträge sind automatisch nach 90 Tagen genehmigt,
wenn nicht widersprochen wird. Brandschutzvorschriften sind einzuhalten.
- Es müssen keine zusätzlichen Stellplätze für barrierefreie Wohnungen bis
45 m² ausgewiesen werden, die auf Grund von Teilungen vorhandener
Wohngebäude entstehen. (In RLP ist dies laut Landesbauordnung bereits der
Fall).
- Die unpfändbare barrierefreie Wohnung bis 45 m² Wohnfläche soll folgende
Kriterien erfüllen: Separaten Zugang zum Wohngebäude, getrennte
Versorgungseinheiten für Wasser, Strom und Heizung bzw. Klimatisierung. Im
Übrigen soll sie die Normen nach DIN 18040-2 R erfüllen, was die
Abmessungen für die Anschlüsse im Bad betreffen, barrierefreier
Duschbereich, Türweiten und Raumgrößen betrifft.
- Die Wohnung muss nicht zwingend von einem Rollstuhlfahrer bewohnt werden
und die entsprechenden Sanitärelemente müssen nicht eingebaut sein. Bei
entsprechendem Bedarf müssen diese aber ohne weitere Umbaumaßnahmen
eingesetzt werden können.
- Wird der tatsächliche Bedarf für einen Rollstuhlfahrer nachgewiesen,
dessen Rollstuhl wegen der Abmessungen einen größeren Raumbedarf hat, sind
die Kriterien auf entsprechend größeren Wohnraum anzuwenden, auch solche
Wohnungen bekommen den Status der Unpfändbarkeit.
- Wohnraum in oberen Stockwerken mit der entsprechenden Größe muss über
einen Fahrstuhl oder einen Treppenlift zu erreichen sein. Um Wohnraum in
oberen Stockwerken zu erschließen, sind Außenanlagen an Gebäuden zu
genehmigen (z.B. bei Reihenhäusern). Möglich sind bei mehreren Gebäuden
auch Gemeinschaftsanlagen. (Z.B. bei Reihenhäusern ein gemeinsamer
Fahrstuhl oder eine gemeinsame Treppe mit Treppenlift sowie ein
gemeinsamer außen angefügter Zugang zu den einzelnen Wohnungen).
- Die neu entstandenen Wohnungen dürfen im Innenbereich des Wohngebäudes von
den anderen Wohnbereichen her durch eine Tür erreichbar sein.
- Die neu entstandenen Wohnungen mit dem Status Unpfändbarkeit müssen nicht
selbst von den InhaberInnen bewohnt werden. Sie können zum ortsüblichen
Quadratmeterpreis von Sozialwohnungen vermietet werden.
- Das Konzept ist auch für Familien gut, weil in einem Einfamilienhaus so
viele unpfändbare 45-m²-Wohnungen entstehen können, wie die Familie
Mitglieder hat, trotzdem ist das gesamte Haus pfändungssicher. Nur solche
Teile, für die keine Unpfändbarkeit beantragt werden kann, sind nicht
gesichert.
Forderungen aus dem Antrag: Die betroffenen LAGen Soziales und Gesundheit
(Armutsgefährdung verschiedener Bevölkerungsgruppen), Bauen (Baubestand,
Umbaumöglichkeiten, Zeitvergleich Umbau gegenüber Neubau) und Ökologie
(ineffiziente Nutzung vorhandenen Wohnraums, Flächenverbrauch und
Flächenversiegelung durch Neubau und Neubaugebiete), Frauen, Grün+50
(alleinerziehende Frauen und Seniorinnen sind besonders stark armutsgefährdet)
und Migration und Flucht befassen sich mit der Thematik.
Begründung
Begründung für den Antrag:
Gegenwärtiger Mangel an preiswertem Wohnraum mit steigender Tendenz.
Bis zu 50% der künftigen RentnerInnen werden in Grundsicherung kommen.
Armutsgefährdeter Personenkreis insgesamt in westlichen Bundesländern bei 15%, in östlichen Bundesländern bei >18%.
20% aller Frauen über 65 sind armutsgefährdet Pressemitteilung 7.3.18
Zu wenig barrierefreier Wohnraum für Gehbehinderte und RollstuhlfahrerInnen.
>20% atypisch Beschäftigte (befristete oder Teilzeitjobs, geringfügig Beschäftigte und Zeitarbeitnehmer)
Ökologie: Vorhandener Wohnraum wird häufig mit fossiler Energie beheizt aber nicht optimal genutzt, das ist klimaschädlich.
Durch totale Verunsicherung der Gesellschaft in Bezug auf Gesundheit (z.B. Lärm, atypische Arbeitszeiten, hoher Grad an Arbeitsstress), Arbeitsplätze (Änderungen durch Digitalisierung, Wettbewerbsverdrängung, Grundlegende Technologieänderung, Firmenverkäufe, Großinsolvenzen) sowie sinkende Einkommen und Renten gegenüber Kaufkraft steigen die Chancen für radikale Ansichten. Konkret: indirekte Förderung der AFD.
Wenn die Politik einen absolut sicheren Wohnraum garantiert, steigt das Vertrauen in die Parteien der Mitte.
Ein Gesetz für pfändungssicheren Wohnraum gab es in Deutschland 73 Jahre lang von 1920 bis 1993. Dann wurde das „Reichsheimstättengesetz“ durch ein Gesetz zur Abschaffung des Reichsheimstättengesetzes abgeschafft. Bis heute gibt es aber für Altfälle Bestandsgarantie. Die Banken und Immobilienwirtschaft hoffen, dass die Erben solcher Immobilien diese in Unkenntnis des Status verkaufen, womit der Status entfällt.
Teil 2 Politische Instrumente
Der Antrag betrifft ganz Deutschland und kann nur durch Bundesgesetze geregelt werden. Daher wendet sich der Antrag an die Bundestagsabgeordneten mit der Bitte, in der Bundestagsfraktion zu erkunden, ob eine Mehrheit der Fraktion bereit ist, Gesetze zur Herstellung von unpfändbarem Wohnraum zu unterstützen.
Der 2. Weg ginge über den Bundesrat. Die Fraktion im Landtag soll erkunden, ob sich die anderen beiden Fraktionen einem solchen Antrag anschließen können.
Der 3. Weg geht über eine europäische Bürgerinitiative EBI (ECI), die sich an die Europäische Kommission wendet. Eine EBI für ein europäisches Gesetz zur Grundsicherung von Wohnraum für natürliche Personen im Geltungsbereich der Gesetze der Europäischen Union müsste vorbereitet werden. Auch in anderen Ländern der EU gibt es große Verunsicherung aus den o. g. Gründen. In vielen Ländern müssen nationalistische Tendenzen zurückgedrängt werden.
Zeitschiene:
Im Prinzip haben wir wenig Zeit, um preiswerten Wohnraum in großer Zahl herzustellen. Trotzdem sollten wir uns viel Zeit lassen, in der wir die Grundidee für entsprechende Gesetze vorstellen. Je mehr Menschen in Deutschland und in der EU darüber Bescheid wissen, dass die Grünen so ein Gesetz vorbereiten wollen, desto besser. Wir sollten die Zustimmung für so ein Gesetz in der Partei und der Bevölkerung abfragen, bevor wir dies in den Parlamenten einbringen oder die EBI starten.
Bei positivem Rücklauf und genügend hoher Akzeptanz innerhalb und außerhalb der Partei sollten wir versuchen, entsprechende Gesetze in die Parlamente zu bringen und eine EBI zu starten. Günstig wäre ein Zeitpunkt vor den Wahlen 2019, sodass die WählerInnen den Ursprung der Idee zu den Gesetzen mit den Grünen verbinden.
Quellen:
Destatis
Anfragen aus dem Bundestag
Daniel Fuhrhop: ‚Verbietet das Bauen‘, ‚Willkommensstadt‘
Klaus Ernst Paul Puchstein: ‚Meine unpfändbare Wohnung‘
Nordwestzeitung 27.12.2017
BerlinImmer mehr Menschen in Deutschland im Alter von 55 Jahren und älter sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Waren es im Jahr 2006 noch 4,5 Millionen, stieg ihre Zahl bis 2016 um mehr als eine Million auf 5,6 Millionen an. Im vergangenen Jahr waren in Deutschland 20,5 Prozent und damit mehr als jeder Fünfte im Alter von 55 Jahren und älter von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. 2006 hatte der Anteil noch bei 18,2 Prozent gelegen. Das geht aus aktuellen Daten des Europäischen Statistikamts Eurostat hervor.
Baubranche kann nicht so viele Wohnungen bauen wie nötig
Baumarkt 2016 (Veröffentlichung des Zentralverband des Deutschen Baugewerbes)
Die Zahl der zum Bau genehmigten Wohnungen stieg um fast 22 % und erreichte mit ca. 375.400 Einheiten den höchsten Wert seit dem Jahr 2000. Getragen wird die Entwicklung vor allem vom Geschosswohnungsbau, der vom anhaltenden Zuzug in die Großstädte profitiert. Zudem beinhaltet dieses Segment auch die Wohnheime, deren überproportional starke Zunahme auch auf den Wohnungsbau für Flüchtlinge zurückzuführen ist. So positiv die Genehmigungszahlen auch sind, die Fertigstellungen bleiben weiterhin deutlich hinter dem prognostizierten Bedarf von mindestens 350.000 WE pro Jahr zurück. Im Wohnungsneubau wurden in 2016 ca. 240.000 WE errichtet. Dies waren zwar ca. 20.000 WE mehr als in 2015, aber doch wieder weniger als auch von den Bauverbänden mit gut 250.000 WE erwartet wurden. Inklusive der Umbaumaßnahmen im Bestand sind im vergangenen Jahr knapp 278.000 Wohnungen fertig gestellt worden. (Die Prognose der Verbände lag bei 285.000 bis 290.000 WE.) Für 2017 erwarten die Bauverbände, nach ihrer Prognose vom Januar 2017, ca. 280.000 WE im Neubau und 310.000 bis 320.000 Wohneinheiten insgesamt. Diese Gesamtzahl wird angesichts des niedrigeren als erwarteten Ausgangsniveaus kaum erreichbar sein.
06.02.2018 Veröffentlichung des DGB
Arbeitszeitsouveränität Buntenbach: Pflegende Angehörige besser unterstützen
Jeder elfte Beschäftigte in Deutschland pflegt einen Angehörigen. Dies ergab eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit. "Wir brauchen mehr Arbeitszeitsouveränität für die Beschäftigten – hier ist der Gesetzgeber gefordert, aber auch die Arbeitgeber mit mehr zeitlicher Flexibilität und mit finanzieller Unterstützung!", sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.
Kommentar der Antragsautoren: Räumliche Nähe würde Wegezeiten einsparen. Wenn Wohnraum in 1-2-Familienhäusern von vornherein so geplant ist, dass mehrere Wohnungen entstehen, erleichtert dies das Wohnen in einem Haus. Mindestens 1 barrierefreie Wohnung hilft, die Pflege zu organisieren.
Februar 2018. Millionen Alleinstehende sind in Deutschland von Armut bedroht. Nach den jüngsten Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat waren dies 32,9 Prozent der Alleinstehenden im Jahr 2016. Bei > als 16 Mio. Alleinstehenden sind dies deutlich über 5 Mio. Menschen. Hinzu kommen die armutsbedrohten Alleinerziehenden.
Sozialverband Deutschland 30. Januar 2017
Stellungnahme zum Entwurf des Fünften Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung (die kann man sich als pdf runterladen https://www.sovd.de/2803.0.html )
Auszüge:
Vermögenverteilung SOVD Bewertung
Diese Ungleichverteilung von finanziellen Mitteln ist Folge einer Umverteilungspolitik, die durch Steuerreformen mit zahlreichen Steuerentlastungen die Einnahmeseite des Staates stark geschwächt hat. Um die Ausgaben der finanzschwachen Städte und Kommunen zu minimieren wurden im Gegenzug Sozialleistungen gekürzt und abgebaut. Armut konnte sich so weiter ausbreiten.
Armut im Alter SOVD Bewertung
Die Aussagen im Berichtsentwurf zur Altersarmut und Armutsgefährdung bleiben auf einer abstrakt-darstellenden Ebene; Schlussfolgerungen für notwendiges politisches Handeln werden nicht gezogen. Vielmehr wird abermals betont, dass Altersarmut in der genannten Gruppe unterdurchschnittlich repräsentiert sei. Dass die fundamentalen und politisch gewollten Veränderungen in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik für einen künftigen Anstieg der Altersarmut verantwortlich sein werden, lässt der Bericht komplett außen vor. Aus Sicht des SoVD ist klar, dass nur eine Neukonzipierung der Arbeitsmarkt- und Alterssicherungspolitik wirkungsvoll vor Altersarmut und Armutsgefährdung schützen kann. Dazu gehören ausreichende Beitragszahlungen in der Erwerbsphase und damit die Bekämpfung des Niedriglohnsektors sowie die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Ferner sind geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit vonnöten. Rentenpolitisch muss die Absenkung des Rentenniveaus gestoppt und dieses auf das lebensstandardsichernde Niveau angehoben werden. Ein Rentenfreibetrag in der Grundsicherung im Alter würde ein Gesamteinkommen oberhalb der Grundsicherungsschwelle ergeben. Die stark armutsgefährdende Gruppe der Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner muss vor allem durch die Abschaffung der Abschläge, die bis zu 10,8 Prozent betragen können, entlastet werden.
Armut bei Frauen
Der Aspekt der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen wird im Berichtsentwurf nicht beleuchtet. Es gibt leider keine Untersuchungen dazu, inwiefern das eigene individuelle Einkommen ausreicht, die Existenz insbesondere von Frauen zu sichern. Die Messung der Armutsquote erfolgt immer im Haushaltskontext.
Laut Statistischem Bundesamt sind neun von zehn Alleinerziehenden Frauen. Sie sind daher in besonderer Weise von Familienarmut betroffen. Neben der geringen Erwerbsmöglichkeit erhalten sie oftmals keinen oder wenig Unterhalt für das Kind. Diese geschlechtsspezifische Differenzierung fehlt ebenfalls im Entwurf eines 5. Armuts- und Reichtumsberichts. ……………
SoVD-Bewertung
Konkrete Maßnahmen, wie prekäre Beschäftigung abgebaut und vermieden werden kann, sind im Berichtsentwurf nicht beschrieben. Hinsichtlich des Umgangs mit unfreiwilliger Teilzeitarbeit bleibt abzuwarten, welche Regelungen der angekündigte Referentenentwurf für ein Recht auf befristete Teilzeit bzw. auf Rückkehrrecht auf Vollzeit vorsieht. Bisher gibt es nur einen Anspruch auf zeitlich unbegrenzte Teilzeitarbeit.
Hinsichtlich des Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern begrüßt der SoVD grundsätzlich, dass nunmehr ein Referentenentwurf vorliegt. Allerdings bleiben die Inhalte des Gesetzentwurfs hinter den Erwartungen des SoVD zurück: obwohl der größte Teil der Frauen in kleinen Betrieben arbeitet, soll das Gesetz nur für Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten gelten.
Menschen mit Behinderung
SoVD-Bewertung
Die Aussage des Berichtes zum Anstieg der Armutsrisikoquote für Menschen mit Behinderung ist alarmierend!
Die Anstiege bei behinderten Menschen ziehen sich zudem durch alle Altersgruppen und betreffen Männer wie Frauen. …………
Gesundheit
SoVD-Bewertung
Aus dem Berichtsentwurf lässt sich deutlich entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit besteht. Schlechte Gesundheit ist ein Armutsrisiko (vor allem durch eingeschränkte Erwerbstätigkeit), gleichzeitig ist Armut aber auch ein Gesundheitsrisiko. Gesundheit und Erwerbstätigkeit/Armut beeinflussen sich wechselseitig.
Ferner besteht ein Zusammenhang zwischen Gesundheit und Bildung. Je geringer der Bildungsstand desto höher liegen die Krankheitsrisiken.
Pflege
Auch im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Pflege / Pflegebedürftigkeit und Armut trifft der Berichtsentwurf eindeutige Aussagen: So seien die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten in den Berufsfeldern Kranken-, Kinder- oder Altenpflege oder in anderen personenbezogenen Dienstleistungsberufen eher gering. Es sind hauptsächlich junge Frauen, die diese Berufe ergreifen. Ferner weist der Entwurf des 5. Armuts- und Reichtumsberichts darauf hin, dass das Risiko für den Eintritt in Pflegebedürftigkeit deutlich mit der Einkommensposition zusammen hängt.
SoVD-Bewertung
Der SoVD betrachtet mit Sorge, dass arme Menschen ein höheres Risiko haben, im Alter pflegebedürftig zu werden.
Pflege macht arm. Der SoVD vermisst Untersuchungen zum Zusammenhang von Pflege und Armut. Dieser Zusammenhang ist vielschichtig. Angesichts der Ausgestaltung der Pflegeversicherung als Teilkostenversicherung und vor dem Hintergrund einer mangelhaften Dynamisierung der Pflegeleistungen wächst das Risiko, durch die durch Pflegebedürftigkeit entstehenden Kosten in Armut zu geraten. Ebenso besteht das Risiko, durch den Ausstieg aus dem Beruf zur Übernahme von familiärer Pflege in (Alters)Armut zu geraten.
Schließlich - dies findet sich im Bericht auch wieder - ist die Pflegebranche ein Berufsfeld mit geringen Verdienstmöglichkeiten, so dass auch mit der beruflichen Pflege Armutsrisiken verbunden sind.
Daher fordert der SoVD die Einführung einer Pflegevollversicherung. ……
Zusammenfassende Bewertung
Die Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und Reich, die in den früheren Armuts- und Reichtumsberichten bereits festgestellt wurde, ist auch nach dem vorliegenden Berichtsentwurf weiter vorhanden. Die Beschäftigung im Niedriglohnbereich hat in besorgniserregendem Maße zugenommen und damit auch die Ungleichverteilung der Einkommen. Von 2005 bis 2015 ist das Armutsrisiko bei den Erwerbslosen von 49,5 auf 59 Prozent gestiegen. Selbst eine Erwerbstätigkeit bietet immer weniger Schutz vor Armut: Bei den Erwerbstätigen lag das Armutsrisiko im Jahr 2015 bei 7,8 Prozent. Mit einer durchschnittlichen Armutsrisikoquote von 15,7 Prozent ist Armut in unserem Land kein Randproblem mehr. Rund 12,5 Mio. Betroffene zeigen auf, dass Armut längst ein großes gesellschaftliches und sozialpolitisches Problem ist. Die Angst vor einem sozialen Abstieg reicht inzwischen bis in die Mitte unserer Gesellschaft.
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