Veranstaltung: | LDV Idar-Oberstein |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG QueerGrün, Anne Spiegel (KV Speyer), Irene Alt (KV Mainz-Bingen), Pia Schellhammer (KV Mainz-Bingen), Jutta Blatzheim-Roegler (KV Bernkastel-Wittlich), Josef Winkler (KV Rhein-Lahn), Jutta Paulus (KV Neustadt/Weinstr.), Ann Kristin Pfeiffer (KV Mainz), Janina Bender (KV Mainz), Christoph Wagner (KV Mayen-Koblenz), Patrick Zwiernik (KV Koblenz), Ute Wellstein (KV Mainz), Kirstin Kosche (KV Rhein-Lahn), Susanne Follenius-Büssow (KV Landau), Johannes Wiegel (KV Trier), Gunther Heinisch (KV Mainz) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.04.2018, 10:44 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A-2NEU: Lebe wer du bist!
Antragstext
Trans* und Inter - Akzeptanz und Selbstbestimmung in Rheinland-Pfalz
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist ein zentraler Wert unseres
Grundgesetzes. Es ist eine wichtige politische Gestaltungsaufgabe, diesen
verfassungsrechtlichen Anspruch endlich auch dahingehend umzusetzen, dass
Trans*- und Inter-Menschen in unserer Gesellschaft gute Bedingungen haben, ihrer
geschlechtlichen Identität entsprechend ein selbstbestimmtes Leben führen zu
können. Deshalb setzen wir GRÜNE uns auf allen politischen Ebenen für
Selbstbestimmung, Akzeptanz und rechtliche Gleichstellung ein.
Die Grüne Bundestagsfraktion hat bereits in der letzten Legislatur einen
Gesetzentwurf zur Anerkennung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität, das
Selbstbestimmungsgesetz, in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf sollte das
bestehende Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Zentral ist darin der Respekt
vor der Geschlechtsidentität der Menschen. Das ist ein urliberales Anliegen. Das
Recht muss für die Menschen da sein, nicht die Menschen für die Gesetze. Wie aus
einer kleinen Anfrage der GRÜNEN Landtagsfraktion hervorgeht, hat das
Bundesverfassungsgericht sich zuvor in sechs Entscheidungen mit dem 1980
beschlossenen Transsexuellengesetz auseinandergesetzt und nach und nach
zahlreiche Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere die Vorgabe
von zwei Gutachten nach § 4 Abs. 3 TSG, die in der deutschen Rechtsordnung
einzigartig ist, wird von den Betroffenen als entwürdigend empfunden und ruft
Gefühle der Abhängigkeit und Erniedrigung hervor. Ende 2017 bekräftigte
schließlich ebenfalls das Bundesverfassungsgericht das Recht auf einen
personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag für Menschen, die sich dauerhaft
weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Es ist nun
Aufgabe des Bundesgesetzgebers, endlich den rechtlichen Rahmen für die
Anerkennung der Geschlechtsidentität von InterPersonen zu schaffen und einen
dritten Geschlechtseintrag neben männlich und weiblich zu ermöglichen.
Auf Landesebene haben wir dank GRÜNEN Wirkens in Landtag und Regierung bereits
einiges zur Verbesserung der Lebensumstände von Trans* und Inter Personen
erreicht. Die vereinfachte Ausstellung von Zeugnissen unter neuem Vornamen für
Trans*-Personen ist nun an rheinland-pfälzischen Bildungseinrichtungen
ermöglicht. Ebenfalls vereinfacht ist die Ausstellung von Kontokarten unter
neuem Vornamen bei Kreditinstituten. Im Bundesrat hat unsere Ministerin Anne
Spiegel eine Initiative für die dringend notwendige Reform des
Transsexuellengesetzes gestartet. Auch der endlich erfolgreiche Antrag zur Ehe
für Alle stammt aus Rheinland-Pfalz, federführend auf den Weg gebracht und
vertreten durch unsere GRÜNEN Familienministerinnen Irene Alt und Anne Spiegel.
Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass Rheinland-Pfalz - und damit ein Land mit
seit 2011 GRÜNER Regierungsbeteiligung - immer wieder treibende Kraft war, um
gemeinsam mit anderen Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung
fortschrittliche Impulse auf den Weg zu bringen und die Politik des Stillstands
der Mehrheitsfraktionen im Bundestag aufzubrechen . Mit der Einsetzung einer
Landesbeauftragten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und
Geschlechtsidentität hat im November 2016 eine Ansprechpartnerin und
Botschafterin auch für die Belange von Trans* und Inter-Personen ihre Tätigkeit
aufgenommen. Bereits 2013 wurden auch diese Belange im ressortübergreifenden
Landesaktionsplan Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen als Aufgabe der gesamten
Landesregierung verankert, in zahlreichen Maßnahmen näher definiert und seither
fortschreitend umgesetzt.
Für uns GRÜNE sind die Akzeptanz und Gleichstellung von Lesben, Schwulen,
Bisexuellen, Trans*, Inter und Queer (LSBTIQ) als Menschenrechte
selbstverständlich. Wir kämpfen für eine offene Gesellschaft, in der LSBTI die
gleichen Freiheiten und die gleiche Anerkennung haben. Der Grundsatz der
Gleichheit aller Menschen ist uns wichtig, unabhängig von Alter, Behinderung,
Religion, Herkunft, sexueller oder geschlechtlicher Identität. Deswegen kämpfen
wir für den Abbau von Barrieren in jeder Form und echte Gleichberechtigung für
alle. Nur gemeinsam in Vielfalt können wir den Schatz unserer Gesellschaft
erkennen und für ein friedliches Miteinander einstehen.
Für die rechtliche Gleichstellung und alltägliche Verbesserung der
Lebensumstände von Trans* und InterPersonen wollen wir deshalb erreichen:
Vorrang für Selbstbestimmung - weg mit dem Transsexuellengesetz
Wir setzen uns weiterhin auf Landes- und Bundesebene dafür ein, das
Transsexuellengesetz durch zeitgemäße Bestimmungen zu ersetzen, die der
Selbstbestimmung Vorrang einräumen. Das Verfahren zur Änderung der Vornamen und
zur Anpassung der Geschlechtszugehörigkeit wollen wir vereinfachen. Beides soll
nur noch vom Geschlechtsempfinden der Antragstellenden abhängig sein. Anstatt
entwürdigender Gutachten zur Geschlechtsfeststellung und Verfahren vor dem
Amtsgericht, sollen Vornamen- und Personenstandsänderung im Rahmen eines
einfachen Verwaltungsaktes beim Standesamt erfolgen. Denn geschlechtliche
Identität ist keine Frage medizinischer Diagnosen. Lediglich die Betroffenen
selbst können darüber kompetent Auskunft geben. Mit Vollendung des 14.
Lebensjahres sollen diese Vorgänge auch ohne das Mitwirken eines gesetzlichen
Vertreters möglich sein. Ab diesem Alter misst die Rechtsordnung Minderjährigen
die Fähigkeit bei, Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen. Das muss auch
für identitätsbezogene Entscheidungen gelten. Beratungen sollen über mögliche
Folgen aufklären. Das Offenbarungsverbot, also den Tatbestand der
Eintragungsänderung ohne berechtigtes rechtliches Interesse auszuforschen oder
zu offenbaren, soll verschärft werden. Betroffene müssen vor Behörden und
Unternehmen durchsetzen können, Unterlagen und Zeugnisse entsprechend ihrer
Geschlechtsidentität ausgestellt zu bekommen. Trans* muss endlich bei der
Klassifikation als Krankheit gestrichen werden. Das fordert der Europarat
bereits in seiner Resolution. Trans* Personen brauchen keine psychiatrische
Begleitung, sondern Coaches. Hierfür müssen die Strukturen der Peer-to-Peer
Beratungen stärker ausgebaut werden.
Allgemeine Akzeptanzarbeit und Sichtbarkeit - Kompetente Anlaufstellen und
Beratungsangebote
Trans* und Inter-Personen gehören dazu. Dafür wollen wir ihre Sichtbarkeit
stärken und Akzeptanzarbeit fördern. Dazu gehört auch die Sensibilisierung von
Lehrkräften und Pädagog*innen in Studium und Lehre sowie mit entsprechenden
Weiterbildungsangebotenen. Auch der Schutz vor Diskriminierung und Gewalt
minderjähriger Trans* und Inter-Personen in Regeleinrichtungen wie
beispielsweise in Schulen bleibt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Von
zentraler Bedeutung sind kompetente Anlaufstellen und Beratungsangebote - für
Trans* und Inter-Personen wie auch für die Menschen, die mit ihnen Leben und für
sie Verantwortung übernehmen. Deshalb unterstützt das GRÜN geführte
Familienministerium Selbsthilfeinitiativen von Trans*- und intersexuellen
Menschen, die Ratsuchende und ihre Angehörige in schwierigen Lebensphasen
beraten und begleiten sowie gegenüber Politik und Öffentlichkeit für ihre
Belange eintreten, und muss die Förderung für entsprechende Beratungs- und
Unterstützungsangebote ausweiten.
Teilhabe ermöglichen - Diskriminierung im Alltagsleben beenden
Es darf nicht sein, dass Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem
weiblichen Geschlecht zuordnen, Probleme gemacht werden, einen Handyvertrag
abzuschließen, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder auch nur
im Internet ein Paar Socken zu bestellen. Der Zwang zur Zuordnung in den binären
Kategorien männlich und weiblich führt in vielen Bereichen zu Diskriminierungen
bis hin zum Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe. Deshalb ist es wichtig,
dass die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts zum Selbstbestimmungsrecht
hinsichtlich der geschlechtlichen Identität nicht nur bei der staatlichen
Erfassung des Personenstands, sondern auch im alltäglichen gesellschaftlichen
Leben Beachtung finden. Mit unserem Einsatz für gesellschaftliche Vielfalt und
Akzeptanz wollen wir Barrieren für die gesellschaftliche Teilhabe von Trans* und
Inter-Personen abbauen. Dafür brauchen wir ein umfassendes, klares und wirksames
bundesrechtliches Diskriminierungsverbot. Wir unterstützen das Vorhaben einer
Bundesratsinitiative, um das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen
Orientierung und der geschlechtlichen Identität im Grundgesetz zu verankern.
Verbot geschlechtseingreifender Operationen an nicht einwilligungsfähigen
Kindern
Inter Menschen, die sich als Intersexuelle, Hermaphroditen, Inter* oder Zwitter
bezeichnen, wurden in unserer Gesellschaft, die nur "Männer" und "Frauen"
anerkennt, juristisch, politisch und sozial unsichtbar gemacht. Als "abnormal"
klassifiziert werden ihre gesunden Körper zum medizinischen Notfall erklärt.
Ohne die Einwilligung der intersexuellen Menschen selbst werden in der Regel im
frühen Kindesalter kosmetische Genitaloperationen an ihnen vollzogen, um das
Genital zu "vereinheitlichen" oder „anzugleichen“, wie diese Eingriffe oft
verharmlosend bezeichnet werden. Dabei wird in Kauf genommen, dass das sexuelle
Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. In der Vergangenheit wurden
intersexuelle Kinder systematisch ihrer Fortpflanzungsfähigkeit, zumeist durch
Kastration beraubt. Eine solche Wegnahme der gesunden, hormonproduzierenden
inneren Organe und eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen löst
erhebliche gesundheitliche Probleme aus. Das durch solches Tun ausgelöste Leiden
wurde durch den Dialog und die Prüfung des Deutschen Ethikrates in der
Stellungnahme von 2011 bestätigt. Menschen mit einer Besonderheit der
geschlechtlichen Entwicklung sind ein Teil unserer Gesellschaft und haben als
gleichberechtigte Bürger*innen ein Recht auf Anerkennung ihres Geschlechts und
ihrer geschlechtlichen Identität, auf freie Entfaltung und Entwicklung sowie auf
gleichberechtigte Teilhabe am Leben. Die an ihnen begangenen, medizinisch nicht
notwendigen und traumatisierenden Zwangsbehandlungen stellen einen erheblichen
Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung
und Würde dar. Die S2k-Leitlinie „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ der
Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) e.V., der Deutschen Gesellschaft für
Kinderchirurgie (DGKCH) e.V., der Deutschen Gesellschaft für
Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED) e.V. ist an dieser Stelle nicht
ausreichend. Häufig wird den Eltern weiterhin empfohlen den Eingriff
vorzunehmen. Inter-Personen sollen darüber selbst entscheiden dürfen. Das
bedeutet, dass keine Eingriffe vorgenommen werden, bis der eigene Wille
abgegeben werden kann.
Vorgehen gegen Homo- Bi-, Trans*- und Interphobie
Die Dunkelziffer über Straften gegen LSBTIQ ist laut Expert*innen hoch. Dies
liegt daran, dass zum einen die Polizei einen homo- oder transphoben Hintergrund
erkennen müssen. Oft werden die Straftaten auch nicht angezeigt, manchmal
fürchten die Betroffenen eine weitere Stigmatisierung. Zudem gelangen viele
Fälle von Gewalt aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität
nicht in die Polizeistatistik des Bundes. Oft kommen sie gar nicht erst zur
Anzeige. Manche Fälle werden in den Polizeidienststellen nicht als homo,
bi,trans*- und interphob erkannt und als anderweitige Delikte fehlinterpretiert.
Es gibt zudem für solche Straftaten keine spezielle Kategorie in den
Polizeistatistiken. In den Statistiken des Bundes tauchen sie nur als "Politisch
motivierte Kriminalität" im Themenfeld "Hasskriminalität", Unterthema "Sexuelle
Orientierung" auf. Um die immer noch bestehende Homo-, Bi-, Trans*- und
Interphobie transparent und strukturell sichtbar zu machen müssen Straftaten, ob
psychischer oder physischer Gewalt, in der polizeilichen Kriminalstatistik
gesondert geführt werden. Diese müssen registriert, dokumentiert sowie
strafrechtlich verfolgt werden. Rheinland-Pfalz muss sich für eine bundesweite
Reform der Kategorisierung in der Polizeistatistik einsetzen. Dies soll im engen
Austausch mit der Polizei mitsamt ihrer wertvollen Erfahrungsbasis geführt
werden um eine zielführende Kooperation zu ermöglichen.
Selbstbestimmung, Akzeptanz und Sensibilisierung auch innerhalb des
Landesverbandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz
Auch innerhalb unserer Partei haben sich Barrieren eingeschlichen, die wir
abbauen müssen. Nicht nur davon Reden, sondern auch wirklich handeln und als
gutes Beispiel voran gehen. Deswegen fordern wir die konsequente Verwendung des
Genderstar (*). Wir nehmen viele Menschen in unserer Gesellschaft und auch in
unserer Partei nicht mit, wenn wir diese in unseren Ansprachen nicht mit
einbinden. Wir Grünen verwenden geschlechtergerechte Sprache, weil Sprache durch
ihren großen Einfluss auf unser Denken und unsere Wahrnehmung die Gesellschaft
mit formt. Wer nur von „Ärzten“, „Anwälten“ und „Experten“ spricht, fördert
indirekt die Vorstellung, nur Männer seien gemeint. Das kann in
Perzeptionsstudien nachgewiesen werden. Mit einer solchen Sprachwahl wird
entsprechend auch das Denken über Geschlechter nachhaltig bestimmt. Um beide
Geschlechter gleichberechtigt in der Sprache sichtbar zu machen, reden wir
beispielsweise von Ärztinnen und Ärzten.
Um sicherzustellen, dass alle Menschen gleichermaßen genannt und dadurch
mitgedacht werden, wird in unseren Beschlüssen ab jetzt der Gender-Star benutzt,
wie auch schon auf der Bundesdelegiertenkonferenz 2015 beschlossen.
Transsexuelle, transgender und intersexuelle Personen werden so nicht mehr
unsichtbar gemacht und diskriminiert. Durch den Gender-Star werden somit
Menschen mit einbezogen, die sich nicht in ein binäres System der Geschlechter
einordnen können oder wollen und es wird (Selbst-)Definitionen Raum gegeben.
Auch im grünen Mitgliederverwaltungssystem Sherpa muss die Möglichkeit bestehen,
kein Geschlecht oder ein drittes Geschlecht aus zu wählen. Eine Falschzuweisung
lehnen wir ab. Unsere meistens ehrenamtlich arbeitenden Schatzmeister*innen und
Geschäftsführer*innen sollen dazu natürlich nicht alleine gelassen werden,
sondern anschließend bei den regelmäßig angebotenen Fortbildungen zum Umgang mit
der Sherpa entsprechend geschult werden.
Begründung
mündlich
Kommentare